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Giftiges Gras – wie hoch ist die Gefahr synthetischer Cannabinoide in Deutschland?

16 Sep. 2022 von Raymond Renner
Fachartikel
Bush Flowering herb hemp with seeds and flowers. Concept breeding of marijuana, cannabis, legalization.

Unter Cannabis-Konsumenten kennt man den verbreiteten Ausspruch, dass schon viele Menschen durch den Konsum von Alkohol gestorben sind, allerdings noch niemand durch den von Marihuana. Experten befürchten nun, dass sich das ändern könnte – aufgrund von chemisch behandelten Hanfblüten, die in den vergangenen Jahren verstärkt in Umlauf geraten sind. Das Gefährliche daran: Die behandelten Pflanzen können zum Tod führen, sind aber nur im Labor als solche zu erkennen.

Was ist Fake-Hanf?

Manche Cannabisprodukte enthalten kein THC und rufen dennoch eine berauschende Wirkung hervor. Diese ist auf synthetische Cannabinoide zurückzuführen, die auf wirkstoffarme Sorten aufgesprüht werden, um reines Gras vorzutäuschen. In Laboranalysen wurden unter anderem die Cannabinoide MDMB-4en-PINACA oder ADB-BUTINACA identifiziert, es gibt aber mittlerweile mehr als 170 registrierte Substanzen, mit denen Cannabis versetzt wird.

 

Wie die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) erklärte, sind die behandelten Cannabispflanzen in mindestens sechs Ländern der EU sichergestellt worden. Hierzu gehören Österreich, Frankreich, die Niederlande, Deutschland, Slowenien und Schweden. Die Bezeichnung der synthetischen Cannabinoide als Legal Highs ist dabei irreführend. Sie fallen nämlich unter das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG), was heißt, dass der Umgang mit ihnen verboten ist.

Wie kam es zum Boom von synthetischen Cannabinoiden?

Doch wie ist das gefährliche Gras überhaupt auf den Schwarzmarkt gelangt? Ein wesentlicher Grund dafür ist der Zusammenbruch des illegalen CBD-Markts. Seitdem CBD legal angebaut und vertrieben werden darf, kommt es zur Überproduktion, die ein starkes Absinken des Kilopreises nach sich zieht. Um dies zu kompensieren, begannen Dealer damit, Überschüsse mit synthetischen Cannabinoiden zu behandeln. Das ist deutlich preisgünstiger als echtes Gras und große Mengen wirkstoffarmer Pflanzen können als vermeintlich echtes THC-haltiges Marihuana verkauft werden.

Die Gefahren synthetischer
Cannabinoide

Unter Experten besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass von synthetischen Cannabinoiden ein erhebliches Gefahrenpotenzial ausgeht. Die künstlichen Substanzen können nämlich um ein Vielfaches stärker wirken als herkömmlicher Cannabis. Hinzu kommt der Umstand, dass die Substanzen nicht gleichmäßig auf den illegal behandelten Industriehanf aufgetragen werden. Entsprechend stark kann der Wirkstoffgehalt zwischen einzelnen Dosen schwanken, was bei unvorsichtiger Einnahme zu schweren Vergiftungserscheinungen führen kann.

 

Deutlich wird dies anhand einiger typischer Erscheinungen, die mit dem Konsum von synthetischen Cannabinoiden in Verbindung gebracht werden. Hier sind unter anderem Krampfanfälle, Herzrhythmusstörungen, Psychosen und sogar Todesfälle zu nennen. Auch Horrortrips und Halluzinationen sind dokumentiert.

Experten mahnen zur Vorsicht

Als besonders kritisch heben Forscher den Umstand hervor, dass vermutlich in vielen Fällen weder die Dealer noch die Konsumenten wissen, dass sie mit synthetischen Substanzen zu tun haben. Die behandelten Produkte kann man nämlich nur anhand des Augenscheins und des Geruchs nicht von unbehandelten Blüten unterscheiden. Gewissheit bringt nur ein aufwendiger Labortest. Herkömmliche Schnelltests können allenfalls Hinweise auf synthetische Cannabinoide liefern – etwa, wenn man illegal Gras gekauft hat, der Schnelltest aber legale Pflanzen anzeigt. Dann könnte die Ware besprüht worden sein.

 

Deshalb empfiehlt es sich, den Konsum immer langsam angehen zu lassen. Wenn man erst ein – zwei Züge nimmt und dann zehn bis fünfzehn Minuten wartet, hat man Sicherheit, ob die Pflanzen kontaminiert sind. Auch kann es sich anbieten, das Gras vor dem Konsum zu zerhacken und gut zu vermischen – am besten mit einem Grinder. So geht man sicher, dass evtl. vorhandene synthetische Stoffe gleichmäßig verteilt werden und dass man nicht unwissentlich eine zu große Menge hochdosiert behandelter Pflanzenbestandteile zu sich nimmt.

 

Bild: ©chokniti/Adobe Stock

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