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Das Endocannabinoid-System – der Grund, warum wir high werden

1 Okt. 2022 von Raymond Renner

Beschäftigt man sich eingehender mit der Wirkungsweise von Cannabis, stößt man früher oder später auf das Endocannabinoid-System. Dieser Teil des menschlichen Nervensystems ist maßgeblich dafür verantwortlich, wie Marihuana in uns wirkt und wie es unsere Wahrnehmung beeinflusst. Doch wie funktioniert es eigentlich genau und warum kann es Cannabis so gut verwerten? Diese und viele weitere spannende Fragen beantwortet der folgende Artikel.

Aufbau des Cannabinoid-Systems und Einordnung im Körper

Beim Cannabinoid-System handelt es sich um ein Netzwerk aus Rezeptoren, körpereigenen Cannabinoiden, Proteinen und Enzymen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei die ersten beiden Bestandteile.

Cannabinoide:

Bei Cannabinoiden handelt es sich um Botenstoffe (genauer gesagt um Signallipide), die die Kommunikation zwischen den Zellen und die biochemischen Vorgänge innerhalb der Zellen steuern. Damit üben sie Einfluss auf verschiedene Körperfunktionen wie das Schlafbedürfnis und den Gemütszustand aus und halten die Homöostase aufrecht.

Es gibt eine ganze Reihe verschiedener Cannabinoide. Am wichtigsten und am besten erforscht sind Anandamid und 2-Arachidonylglycerol (2-AG). Anandamid ist für die Regulierung des Schmerzempfindens, der Stimmung und des Appetits zuständig. Starke Ausschüttungen dieses Botenstoffs können zu euphorischen Zuständen führen. Zu einer verstärkten Ausschüttung kommt es zum Beispiel, wenn man Sport treibt. 2-Arachidonylglycerol (2-AG) hat eine stimulierende Wirkung auf das Knochenwachstum und aktiviert die Cannabinoid-Rezeptoren. Es hat eine schmerzlindernde und entspannende Wirkung.

Produziert werden die Endocannabinoide auf ein Signal an die Enzyme, die die Vorstufe der Endocannabinoide in den Fettmembranen zu Endocannabinoiden umwandeln.

Rezeptoren: 

Auf der anderen Seite stehen die Rezeptoren, die die von den Cannabinoiden verkörperten Signale aufnehmen. Man unterscheidet zwei Arten CB1 und CB2.

CB1-Rezeptoren sind vor allem auf den Nervenzellen in Kleinhirn und Rückenmark zu finden. Sie sind verantwortlich für die Regulierung von Stimmung, Motorik, Gedächtnis, Appetit und Schmerzempfinden. 

CB2-Rezeptoren befinden sich in den Immunzellen. Dort wirken sie sich auf die Arbeit unseres Immunsystems und seine Reaktionen aus.

Die wichtigsten Aufgaben des Endocannabinoid-Systems

Die Hauptaufgabe des Endocannabinoid-Systems besteht darin, das körperliche Gleichgewicht (Homöostase) aufrechtzuerhalten. Zu diesem Zweck koordiniert es die Kommunikation zwischen den Zellen und steuert biochemische Vorgänge innerhalb der Zellen. Zu den wichtigsten Körperfunktionen gehören:

  • Schmerzwahrnehmung
  • Gemütszustand
  • Stress
  • Gedächtnis
  • Entzündung,
  • Schlaf
  • Stoffwechsel
  • Verdauung
  • Immunabwehr

So funktioniert das Endocannabinoid-System

Die Funktionsweise des Endocannabinoid-Systems basiert im Wesentlichen auf der Kommunikation zwischen Rezeptoren, Cannabinoiden, Proteinen und Enzymen.

Dockt ein Cannabinoid an einen Rezeptor an, übt es auf diesen eine aktivierende, hemmende oder neutrale Wirkung aus. Die dabei erzeugten Informationen werden in Form elektrischer Impulse an andere Zellen weitergeleitet, die sich wiederum anpassen, z. B. mit der Produktion bestimmter Enzyme. Auf diese Weise kann zum Beispiel das Schmerzempfinden gesenkt oder Angstzustände können gelöst werden.

Da jedes Cannabinoid nur an ganz bestimmte Rezeptoren binden kann, ist dabei stets eine eindeutige Kommunikation zwischen den einzelnen Körpersystemen sichergestellt.

Entdeckung des Systems

Die Entdeckung des Endocannabinoid-Systems begann mit der Suche nach den Wirkmechanismen von Cannabis Sativa. Je mehr Cannabis in der Bevölkerung konsumiert wurde, desto mehr stieg das Interesse der Wissenschaft an den zugrundeliegenden Wirkprinzipien. Da Cannabis zu einer Wirkung im Körper führt, ging man entsprechend den Grundprinzipien der Pharmakodynamik davon aus, dass es zumindest einen Wirkstoff in der Pflanze und einen Zielrezeptor im Körper geben muss, an den der Wirkstoff (Ligand) binden kann, sodass es in letzter Konsequenz zu einer Wirkung auf die Zelle und auf den Körper kommt.

Der Ligand Cannabidiol (CBD) konnte 1940 erstmals isoliert werden. Da CBD aber nicht die für Cannabis typischen Wirkungen auslöste, beachtete die Forschung ihn vorerst nicht weiter. Im Jahr 1964 gelang es dann schließlich zum ersten Mal, Tetrahydrocannabinol (THC) zu isolieren, das die typische psychoaktive Wirkung von Cannabis hervorruft und weiter erforscht wurde. Bei der Suche nach dem dahinterliegenden Wirkprinzip stießen Forscher im Jahr 1988 auf einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor, der durch THC aktiviert wird.

Seinem Liganden entsprechend wurde der Rezeptor Cannabinoid-Rezeptor 1 (CB1-Rezeptor genannt). Da die Forscher davon ausgingen, dass der Rezeptor auch eine körpereigene Funktion haben muss, suchten sich nach einem körpereigenen Liganden für den Rezeptor und fanden so 1992 das erste Endocannabinoid N-Arachidonoylethanolamine (auch Anandamid oder AEA). Ein Jahr später wurde dann der zweite Cannabinoid-Rezeptor (CB2R) entdeckt. Ein weiteres Jahr später folgten die für die Produktion und den Abbau von Endocannabinoiden zuständigen Enzyme. 1995 folgte das zweite Arachidonoylglycerol (2-AG)

Heute weiß man, dass von über 100 exogenen Cannabinoiden lediglich THC und THCV gut an den beiden Cannabinoid-Rezeptoren CB1R und CB2R binden. Das ist auch der wesentliche Grund für die psychoaktive Wirkung von Cannabis.

Einfluss von exogen zugeführten Cannabinoiden auf den Körper

Den selbst vom Körper produzierten endogenen Cannabinoiden stehen die exogenen bzw. Phytocannabinoide gegenüber. Sie entstammen der Hanfpflanze und werden dem Körper unter anderem durch den Konsum von Marihuana oder CBD-Öl zugeführt.

Auch diese exogenen Cannabinoide binden sich an die CB1R- und CB2R-Rezeptoren. Dabei wirkt THC vor allem auf CB1- und CBN eher auf CB2-Rezeptoren. CBD bindet sich nicht direkt an die Rezeptoren, sondern hemmt das Enzym FAAH, was wiederum einen langsameren Abbau des Endocannabinoids Anandamid und eine größere Mengenkonzentration im Gehirn verursacht.

Eine Zufuhr von exogenen Cannabinoiden kann vor allem dann sinnvoll sein, wenn der Körper einen Mangel an Endocannabinoiden aufweist. Dieser Zustand kann nämlich zu verschiedenen Erkrankungen wie Fibromyalgie, Migräne und dem Reizdarmsyndrom, aber auch zu chronischen Schmerzen führen. Vor allem, wenn klassische Therapien nicht wirken, können von außen zugeführte Cannabinoide wie CBD und THC dabei helfen, das Endocannabinoid-System zu stimulieren und das Defizit wieder auszugleichen.

Fazit

Das Endocannabinoid-System steuert über die Ausschüttung von Cannabinoiden und die Anbindung dieser Cannabinoide an CB1- und CB2-Rezeptoren zentrale Körperprozesse wie Müdigkeit, Gemütszustand, Stoffwechsel und Immunabwehr. Die in Cannabis enthaltenen Cannabinoide CBD und THC können ebenfalls an diesen Rezeptoren binden und dadurch verschiedene angenehme zentralnervöse Effekte hervorrufen. Darüber hinaus kann die kontrollierte Einnahme von CBD und THC zur Linderung von verschiedenen Beschwerdebildern wie Depressionen und Einschlafstörungen genutzt werden.

 

Bild: ©Irina/Adobe Stock

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